Small World of Warcraft: eine echte Überraschung

Zu Weihnachten gab es dieses Jahr ein neues Brettspiel als Überraschungsgeschenk: Small World of Warcraft. Der Verkäufer bei Ultra Comix in Nürnberg hatte es wohl als „so wie Risiko, nur viel besser“ angepriesen. Und tatsächlich hatte er Recht, wenn auch der Vergleich mit Risiko schon fast beleidigend ist. Ich jedenfalls bin sehr davon angetan, und im folgenden Artikel erfahrt Ihr, warum.

In Small World of Warcraft geht es, nicht verwunderlich, darum, wer die Welt von Azeroth, bekannt aus dem MMORPG World of Warcraft, beherrschen wird. Zwei Fraktionen, Horde und Allianz, streiten um die Vorherrschaft, und einige neutrale Völker mischen ebenfalls mit. Die Spielwelt besteht aus mehreren Inseln, die in Regionen aufgeteilt sind, und besetzt werden müssen, um den Sieg zu erringen. Das erinnert zwar an Risiko, aber hier enden auch schon die Gemeinsamkeiten.

Spielaufbau von Small World of Warcraft.
Der Spielaufbau von Small World of Warcraft. Die Anzahl der Inseln variiert je nach Anzahl der Spieler. Der abgebildete Aufbau ist für zwei Spieler.

Spannende Spielmechaniken

Die Spieldesigner von Days of Wonder haben dieses grundlegende Spielprinzip mit einer ganzen Reihe von Spielmechaniken regelrecht umgekrempelt, was das Spiel zu einem echten Schmankerl macht.

Zunächst gehen sie ein grundlegendes Problem – oder Feature – klassischer Eroberungsspiele wie Risiko, Civilization oder Axis & Allies an. Je weiter sich ein Spieler auf der Karte ausbreitet, desto mehr muss er seine Einheiten strecken. Gelingt es einem seiner Gegner, seine Hauptarmeen zu umgehen und in sein Hinterland einzufallen, ist es damit sehr schnell um seine Vormacht geschehen. Small World of Warcraft macht daraus eine Tugend: Du hast keine Einheiten mehr zu verteilen weil keine mehr in der Schachtel sind? Kein Problem. Lass Dein Volk einfach, wo es ist, und nimm Dir ein Neues. Das Alte Volk bleibt als Hindernis und Punktelieferant auf dem Spielbrett, während Dir das neue wieder alle Möglichkeiten eröffnet, Dich auszubreiten.

Konsequenterweise ist es auch nicht Ziel des Spiels, alle Regionen auf der Karte zu erobern, sondern Siegpunkte zu sammeln. Und hier trumpft Smal World of Warcraft so richtig auf. Jedes der wählbaren Völker hat ganz bestimmte Vorteile, die noch durch eine weitere, zufällige Spezialfähigkeiten ergänzt werden. So können Trolle einfacher besetzte Gebiete erobern, während Nachtelfen sich in Waldgebieten besonders gut auskennen. Als Fähigkeiten stehen Kampfvorteile oder Extra-Siegpunkte zur Verfügung. Die Kombinationen können dabei durchaus amüsant sein. So besetzen „Angelnde“ Blutelfen mit Vorliebe Gebiete um Seen herum, da hier die Fische am besten beißen – und extra Siegpunkte bringen.

Diese vielfältigen Kombinationen aus Volk und Spezialfähigkeit – es stehen 16 Völker und 20 Fähigkeiten zur Verfügung – und deren regelmäßger Wechsel lassen das Spielgeschehen unglaublich dynamisch werden. Jedes neue Volk, das ein Spieler wählt, gibt ihm neue, strategische Ziele. Waren im einen Zug die Völker der Allianz seine Hauptgegner, hat er nun vielleicht plötzlich das Ziel, möglichst viele Hügelregionen zu erobern. Man beißt sich also nicht an einem Hauptgegner fest, sondern jeder Gegenspieler kann als nächster an der Reihe sein.

WoW-Referenzen

Spiele mit Bezug zu einem großen Franchise sind häufig mit Vorsicht zu genießen. Vermutlich weil World of Warcraft aber selbst ein Spiel ist, ist das bei Small World of Warcraft ein echter Vorteil. Alle wählbaren Völker gibt es auch in WoW, und ihre Einteilung in die Fraktionen – Allianz, Horde oder Neutral – ist stimmig. Hinzu kommen Murlocs als ständig präsente Quälgeister, die man mit der gleichen Freude verjagt wie in WoW selbst. Das ewige Ringen von Allianz und Horde um die Vorherrschaft in Azeroth wird dadurch sehr schön thematisiert. Und die von den Spielern abgelegten, also „untergegangenen“ Völker reflektieren das mystische Gefühl, das einem im Computerspiel mitunter an Orten vergangener Hochkulturen befällt.

Small World of Warcraft basiert auf dem Brettspiel Small World, das bereits in mehreren Ausprägungen veröffentlicht wurde. Diesen Vorgänger selbst habe ich noch nicht gespielt, deswegen kann ich hier auch keinen Vergleich anstellen. Small World of Warcraft führt allerdings noch eine Reihe weiterer, spannender Spielmechaniken ein, die es zu einem eigenständigen Spiel machen. So kann der Spieler auf jeder Insel Artefakte und Legendäre Orte entdecken, die ihm neue Vorteile bringen, seinen Gegnern aber auch neue Ziele, um die es sich zu kämpfen lohnt. Auch diese Artefakte und Orte sind von World of Warcraft inspieriert. Alte WoW-Kämpen wird es freuen, die Kapelle des Hoffnungsvollen Lichts ihr eigen nennen zu können, oder mit Frostgram in die Schlacht zu ziehen.

Fazit

Für Small World of Warcraft kann ich eine uneingeschränkte Empfehlung aussprechen. Das Spiel skaliert wunderbar von zwei bis fünf Spielern dank des Inselsystems, und hält in jeder Kombination andere Herausforderungen bereit. Die schiere Menge der unterschiedlichen Völker-Spezialfähigkeiten-Kombinationen gibt jeder Partie einen unerwarteten Verlauf, und das, obwohl Würfelwürfe nur eine sehr geringe Rolle spielen. Der Glücksfaktor ist also tatsächlich ziemlich gering.

Vollkommen ohne Kritik soll diese Rezension nun aber doch auch nicht sein. So stört mich ein wenig die grafische Gestaltung der Spielmaterialen. Sie ist zwar sehr detailverliebt und von hoher Qualität, damit aber auch recht unruhig geraten. Manche der Plättchen gehen auf dem Spielbrett etwas unter, und die schwierige Unterscheidung mancher Völker kann mitunter zu kleinen, aber ärgerlichen Fehlern führen. Hier ist gutes Aufpassen notwendig.

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